Unser Elektrokarren beim Frühlinsfest 2017. Hinter ihm der in 2019 aufgearbeitete Anhänger und das 2021 aufgearbeitete „Dreirad“

Technische Daten

Typ: Ek 1002
Hersteller: Maschinenfabrik Esslingen
Baujahr: 1951
Fabrik-Nr.: 9495
Motortyp: FG 14/10
Motornr.: 2230 ME
Leistung: 2 kW
Spannung: 75 V
Batterie: Hagen P2SL
Typ: 2PZS120L
Nenn.Sp.: 80 Volt
Kapazität: 120 Ah
Zellenzahl: 40
zul. Höchstgeschw.: 20 km/h

Lebenslauf unseres Bahnsteigkarrens

Auf kleineren Dorfbahnhöfen reichte es meist aus, angeliefertes Gepäck mit der Hand oder allenfalls auf einem handgezogenen Gepäckkarren zu befördern.
Auf mittleren und insbesondere größeren Bahnhöfen jedoch waren die zu überbrückenden Transportentfernungen und Gepäckmengen zu groß. Deshalb beschaffte man bereits zu Reichsbahnzeiten batteriebetriebene selbstfahrende Gepäckkarren.
Die Kapazität der geladenen Akkumulatoren reichte meist für eine Arbeitsschicht aus, nach deren Ende die Fahrzeuge einfach an die Ladung gehängt wurden und am nächsten Tag wieder voll einsatzfähig waren. Diese sehr fortschrittliche Technologie wurde nicht nur bei der Bahn, sondern überall, wo in einem begrenzten Umfeld viel Gepäck transportiert werden mußte, übernommen.
So kam es zu Einsätzen bei der Post und später auch auf Flughäfen. Selbstverständlich wurde die Technik dieser kleinen Fahrzeuge bis zum heutigen Tage immer weiterentwickelt, so sind sie heute kinderleicht wie ein Auto zu steuern – mit dem Unterschied, dass sie um ein vielfaches wendiger sind. Unser Gepäckkarren gehört jedoch der frühen Generation an, als das Fahren und insbesondere das Lenken noch nicht so einfach vonstatten gingen: Gefahren wurde im Stehen, nachdem die Fußbodenplatte, die sich in „Ruhestellung“ des Fahrzeugs in etwa 45° Schrägstellung befand, nach dem Aufsteigen in die Waagerechte gebracht wurde. Auf der linken Seite befand sich das Schaltwerk mit einem Langsam- und zwei Schnellgangstufen, sowie der Möglichkeit der Fahrrichtungseinstellung. Gebremst wurde durch ein Fußpedal. Die Lenkung jedoch erfolgte nicht wie gewohnt über ein Lenkrad, sondern über einen rechts des Fahrers befindlichen Lenkhebel, der durch herunterdrücken, bzw. heraufziehen die Lenkung ansteuerte. Kein ungefährliches Fahren, wenn man darüber hinaus bedenkt, dass der Fahrer bei all dem noch unangeschnallt auf seinem Posten stand. Es gab jedoch bald an allen Einsatzorten genug Fahrer, die ihre Karren „im Schlaf“ beherrschten, schwere Unfälle sind auch nicht bekannt.
Wenn unser Karren auch baugleich mit den Fahrzeugen auf den Bahnhöfen ist, stand er jedoch nie im Dienste der Bahn. Er wurde für eine Privatfirma, die „Wabco“ in Gronau, gebaut und geliefert.
Dort war er im werksinternen Verkehr eingesetzt. Doch auch Fahrten auf öffentlichen Straßen waren an der Tagesordnung. Hierfür erhielt er eine KFZ-Zulassung.
Entdeckt wurde das interessante Fahrzeug schon vor einigen Jahren durch den damaligen ersten Vorsitzenden des Vereins. Doch es war noch nicht möglich, es zu entbehren. Die Firma „Wabco“ sagte jedoch zu, sich zu melden, sobald es ausrangiert würde. Im Jahr 2000 war es dann soweit: Obwohl erst 1999 ein komplett neuer Batteriesatz beschafft worden war, kam bald das Ende. Ein Schaden am Schaltwerk war die offizielle Begründung. Der Karren wurde der AHE gespendet und auf einem Autoanhänger nach Almstedt gebracht. Nach eingehender Untersuchung stellte sich jedoch heraus, dass die Wicklung des Elektromotors aufgebrannt war, also ein technischer Totalschaden. Dennoch ließen sich einige Aktive trotz dieser Rückschläge nicht beirren und nahmen Kontakt mit der Firma „Still“ auf, um Ersatzteile zu beschaffen. Tatsächlich gelang es, den kompletten Motor fast neu bauen zu lassen, und das zum Nulltarif, da die ausführende Firma ihre Leistung dem Verein spendete! Parallel erfolgte die optische Aufarbeitung des Karrens.
Aus dem ehemals grasgrünen Fahrzeug wurde nach der Neulackierung ein nachtblaues, passend zu einem vorher aufgearbeiteten Gepäckanhänger.
Seit der Wiederinbetriebnahme hat sich der Elektrokarren schon sehr nützlich gemacht und den Verein auch offiziell auf mehreren Veranstaltungen, wie der 850-Jahrfeier von Almstedt werbewirksam im Festumzug repräsentiert.
Abgesehen davon hat die AHE den Vorteile, dass sie nicht nur Fahrzeuge, sondern auch das historische Ambiente möglichst getreu darstellten kann.
Da Elektrokarren dieser Form über Jahrzehnte das Bild der Bahnhöfe prägten, gehört ein solches Exemplar daher in jedem Fall der Zukunft bewahrt.